Vor genau 500 Jahren erholte sich der Reformator Huldrych Zwingli allmählich von der Pest. Er hatte sich in der heftigsten Welle der Epidemie im September 1519 in Zürich angesteckt.
Dazu hat er ein Gedicht, das sog. Pestlied, geschrieben, das er später auch vertonte. Seine Dichtung hat drei Teile, die sich auf den Anfang, die Mitte und die Phase der Besserung bezog.
Hier das Original mit einer sinngemässen Übertragung:
1 Hilf, Herr Gott hilf in dieser Not! Mir scheint, der Tod stehe an der Tür; Christus, stell dich entgegen ihm, denn du hast ihn überwunden. Zu dir schreie ich. Ist es dein Wille, so zieh heraus den Pfeil, der mich verdirbt, der nicht eine Stunde lässt mich haben Ruh und Rast. Willst du denn doch mich haben tot inmitten meiner Tage, so willige ich gerne ein. Tu, wie du willst; nichts halte ich für unannehmbar. Dein Gefäss bin ich; stelle es wieder her oder zerbrich es. Denn wenn du meinen Geist wegnimmst von dieser Erde, tust du es, damit er nicht schlechter werde oder anderen Menschen ihre rechtschaffene Lebensführung beschmutze.
1 Hilff, Herr Gott hilff
in dieser not!
Ich mein, der tod
sig an der thür;
stand, Christe, für,
dann du jn überwunden hast!
Zuo dir ich gliff.
Ist es din will,
züch uss den pfyl,
der mich verwundt,
nit lasst ein stund
mich haben weder ruow noch rast!
Wilt du dann glych
tod haben mich
in mitz der tagen min,
so soll es willig sin.
Thuon, wie du wilt;
mich nüt befilt.
Din haf bin ich;
mach gantz ald brich!
Dann, nimmst du hin
den geiste min
von dieser erd,
thuost du’s, das er nit böser werd
ald andren nit
befleck jr Läben fromm und sit.
2 Steh bei, Herr Gott, steh bei! Die Krankheit wird schlimmer. Schmerz und Beengung erfassen meine Seele und meinen Leib. Darum komm zu mir, einzige Hilfe, mit der Gnade, die gewiss von den Fesseln löst jeden, der sein herzliches Verlangen und seine Hoffnung setzt auf dich, und dem darum gleichgültig sind Gewinn und Verlust in diesem Leben. Nun ist es zu Ende; meine Zunge ist stumm, vermag kein Wort mehr zu sagen; meine Sinne sind alle verdorrt. Darum ist es Zeit, dass du meinen Kampf fortan führst, denn ich bin nicht so stark, dass ich wirksam Widerstand leisten könnte dem Fallstrick und frechen Zugriff des Teufels. Jedoch wird meine Seele dir treu bleiben, wie immer er auch wüte.
2 Tröst, Herr Gott, tröst!
Die Krankheit wachsst;
Wee und angst fasst
min seel und lyb.
Darumb dich schyb
gen mir, einiger trost, mit gnad,
die gwüss erlösst
ein yeden, der
sin hertzlich bgär
und hoffnung setzt
in dich, verschetzt
darzuo diss zyts all nutz und schad.
Nun ist es umb;
min zung ist stumm,
mag sprechen nit ein wort;
min sinn sind all verdort.
Darumb ist zyt,
das du min stryt
fuerist fürhin,
so ich nit bin
so starck, das ich
mög dapfferlich
thuon widerstand
des Tüffels facht und fräffner hand.
Doch wirt min gmuet
stät blyben dir, wie er joch wuet.
3 Gesund, Herr Gott, gesund! Mir scheint, ich kehre unversehrt wieder zurück. Ja, wenn du der Ansicht bist, dass die Sünde mich auf Erden nicht mehr beherrschen wird, so muss mein Mund dein Lob und deine Lehre verkünden mehr als je zuvor, wie es immer möglich ist, unbefangen ohne jede Arglist. Wiewohl ich die Busse des Todes einmal werde erleiden müssen – vielleicht mit grösserer Qual, als es jetzt geschehen wäre; so will ich doch Widerstand und Gewalt in dieser Welt ohne Furcht ertragen um späteren Lohn mit deiner Hilfe, Du, ohne den nichts vollkommen sein kann.
3 Gsund, Herr Gott, gsund!
Ich mein, ich ker
schon widrumb här.
Ja, wenn dich dunck,
der sünden funck
wird nit mer bherrschaen mich uff erd,
so muoss min mund
din lob und leer
ussprechen mer,
dann vormals ye,
wie es joch gee,
einfaltigklich on alle gferd.
Wiewol ich muoss
des todes buoss
erlyden zwar ein mal,
vilicht mit grösserm qual,
dann yetzund wer
geschähen, her,
so ich sust bin
nach gfaren hin,
so will ich doch
den trutz und boch
in dieser wält
tragen frölich umb widergelt
mit hilffe din
on den nüt mag vollkommen sin.